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Dr. Johann Schachtner: Neue Welt – America Alone

Neue Welt – America Alone

 

Der G 7 Gipfel war ein Fiasko. Es bleibt zu hoffen, dass er keine Zäsur in der Geschichte des Westens darstellt. Zumindest vertritt Trump ein altes Amerika. Es gibt auch ein anderes. Der Republikaner John McCain twitterte zum Auftritt Trumps in Kanada: „Die Mehrheiten der beiden großen Parteien unterstützen weiterhin Bündnisse, die auf 70 Jahren gemeinsamer Werte basieren. Die Amerikaner stehen an Eurer Seite, auch wenn unser Präsident es nicht tut“.

 

Sanktionen! Strafzölle! Vergeltungszölle! WTO? Die Teufelsspirale des Protektionismus ist in Gang gesetzt. Trump untergräbt die Grundelemente einer regelgebundenen weltweiten Handelsordnung. Zölle und Protektionismus, Abgrenzung und Abschottung, Währungsmanipulationen um des eigenen ebenso kurzfristigen wie kurzsichtigen Vorteils willen mündeten in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts in die Weltwirtschaftskrise. Bretton Woods, IWF und Weltbank, GATT und WTO sind als Grundelemente einer Welthandelsordnung ins Leben gerufen worden. Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass freier Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit in einem verlässlichen Ordnungsrahmen kein Nullsummenspiel sind, sondern dass alle, die mitmachen und die man mitmachen lässt, davon profitieren.

 

Trump ignoriert diese Entwicklung und stört sich am Rahmen der Weltwirtschaftsordnung, weil er ineffizient und zum Nachteil Amerikas sei, was allerdings erst noch zu beweisen wäre. Er lenkt da-mit auch von standortpolitischen Versäumnissen in den USA ab. Unbestritten ist der Rahmen des Welthandels alles andere als vollkommen. Weil in den großen WTO-Runden eine Einigung kaum mehr möglich ist, ging man zu bilateralen und regionalen Freihandelsabkommen über. Bei den Autozöllen gibt es Asymmetrien, aber über die sollte man reden können. Das Leistungsbilanzdefizit der USA ist nicht zwangsläufig ein gesamtwirtschaftliches Problem, den USA aber ein Dorn im Auge. Weite Teile der Industrie in den USA gehören zu den Globalisierungsverlierern – das sind Zeichen selbst verursachter Schwächen in der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, die man durch Zölle sicher nicht beheben kann. Hinzu kommt: Schon länger werfen uns die USA vor, uns in der Sicherheitspolitik als Trittbrettfahrer zu verhalten und die Verteidigungsausgaben nicht zu erhöhen – hier müssen wir uns in der Tat bewegen. Im Umgang mit dem Iran ist die Lage komplex, das Iranabkommen, das man nicht einfach wegwischen kann, ist das Eine. Die unübersehbaren machtpolitischen Ansprüche des Iran im Nahen Osten, die man nicht ignorieren darf, sondern sehr ernst nehmen muss, sind das Andere. Genug Themen also, über die auf dem G 7 Gipfel zu sprechen gewesen wäre, in de-nen gemeinsame Positionen der G 7 zu formulieren wären, die einer Ordnung im westlichen Sinne bedürften. In dieser Hinsicht ist der Gipfel in Kanada gescheitert. Es steht 6 gegen1. Das schwächt den Westen. Xi Jinping wird sich freuen, Putin wird lachen.

 

Trump setzt unbeirrt weiter auf das Recht des Stärkeren. Gegenüber dieser Machtpolitik auf die Einhaltung von Verträgen und Regeln zu pochen ist richtig und darf auch nicht aufgegeben werden. Die Erklärung der G 7 vom 10. Juni hochzuhalten ist richtig, weil die Prinzipien – freier regelbasierter Welthandel und Erneuerung der WTO – stimmen. Trump wird dies nicht bekümmern. Seinen Erpressungsversuchen nachzugeben wäre falsch, es würde als Schwäche gedeutet, die man weiterhin ausnutzen kann. Wir dürfen uns diese Provokationen allein schon deshalb nicht bieten lassen, weil dann Erpressung zur Methode wird.

 

Die Vergeltungszölle sind notwendig, sie werden uns etwas kosten, das Amerikageschäft wird leiden. Aber wie sicher ist das US-Geschäft in Zukunft grundsätzlich noch, wenn sich eine Politik à la Trump immer stärker unmittelbar in unternehmerische Entscheidungen einmischt, wenn etwas auf den ersten Blick missfällt? Wir müssen Stärke zeigen gegenüber unseren Freunden in Amerika, nur diese Sprache versteht Donald Trump. Man kann hier z. B. auch über eine stärkere Besteuerung von Internetunternehmen und digitalen Geschäftsmodellen nachdenken, hier erzielen die USA Überschüsse gegenüber Europa. Wir können über Koalitionen nachdenken z. B. in der G 6. Wir müssen aber besonnen handeln, die Tür zum Ausstieg aus der Eskalation durch Verhandlungen muss offenbleiben.

 

Wir müssen uns grundsätzlich wieder mehr von den USA emanzipieren. Nur starke Freunde werden respektiert. Der europäische Binnenmarkt umfasst 500 Millionen Konsumenten. In den mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten besteht noch ein enormes Wachstumspotenzial. Dasselbe gilt für die südeuropäischen Krisenländer, die weit hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. Es wäre aller Anstrengungen wert, europaweit Einigkeit darüber zu erreichen, die alten Ziele von Lissabon, Europa zur wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsregion der Welt zu machen, jetzt endlich ernst zu nehmen und einen entsprechenden Ordnungsrahmen zu etablieren. Wir können viel aus eigener Kraft.

 

Unsere Industrie ist eine der innovativsten und erfolgreichsten weltweit. Hier kann Amerika lernen. Die USA werden deutsches Know-how brauchen, wenn sie ihre Industrie modernisieren wollen. Digitalisierung und Sicherheit gehören zusammen – hier sollte Europa auf mehr Eigenständigkeit und mehr Unabhängigkeit von amerikanischen Anbietern setzen ebenso wie bei Software und Hardware – Europäische Sicherheitsstandards, europäischer Datenschutz, europäische Clouds könnten zu einem komparativen Vorteil im weltweiten Geschäft werden.

 

Unter einer Herrschaft des Stärkeren, ohne regelgebundenen Welthandel, steigen die Unsicherheiten, Unternehmen können nicht mehr planen, weltweite Lieferketten halten nicht mehr, Verlässlichkeit und Vertrauen in der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit schwinden. Das ist kein Zukunftsmodell. Die Rückkehr zu einer erneuerten regelgebunden Welthandelsordnung ist Voraussetzung für eine Re-Globalisierung und damit verbundenem weiteren Wohlstand für alle.

 

 

Mit herzlichen Grüßen

Ihr

Dr. Johann Schachtner

Generalsekretär